Anforderungen an die Belehrung über die Folgen einer Anzeigepflichtverletzung am Beispiel einer Berufsunfähigkeitsversicherung

BGH, Beschluss vom 06.12.2017 (IV ZR 16/17)

Dem BGH lag folgender Fall zugrunde:

Ein Versicherungsnehmer hat über einen Versicherungsvermittler eine Risikoversicherung mit Berufsunfähigkeitszusatzversicherung abgeschlossen. Hierzu wurden die Antragsfragen im Antragsformular von dem Versicherungsvermittler auf seinem Laptop befindlich vorgelesen und von dem Versicherungsnehmer beantwortet. Anschließend wurde das fünfseitige Antragsformular ausgedruckt und von dem Versicherungsnehmer unterzeichnet. Der Vertrag wurde policiert und nach vier Jahren wurde der Versicherungsnehmer berufsunfähig. Auf Seite 2 des Antragsformulars befindet sich unmittelbar vor den Gesundheitsfragen ein Abschnitt mit der Überschrift „Hinweis auf die Rechtsfolgen der Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht“. Die drucktechnische Gestaltung dieser Überschrift entspricht den Überschriften der anderen Abschnitte des Antragsformulars. Der eigentliche Hinweistext ist drucktechnisch so gestaltet, wie die Texte der anderen Abschnitte des Antragsformulars. Die beiden letzten Zeilen lauten:

„Bevor Sie unterschreiben, kontrollieren Sie bitte nochmals, ob alle Fragen vollständig und korrekt beantwortet sind, insbesondere wenn Ihnen eine andere Person beim Ausfüllen des Antrags geholfen hat.“

Auf Seite 4 des Formulars im fünftletzten Abschnitt vor der Unterschriftenleiste ist noch folgender durchgehender fettgedruckter Text abgedruckt:

„Ich bestätige, dass ich den Hinweis auf die Rechtsfolgen einer vorvertraglichen Anzeigepflichtverletzung gelesen und verstanden habe.

Alles vollständig – es folgen keine weiteren Risikoangaben.“

Nach Beantragung entsprechender BU-Leistungen hat der Versicherer die Krankenhistorie des Versicherungsnehmers überprüft und dabei festgestellt, dass der Versicherungsnehmer ca. vier Jahre vor dem Ausfüllen des Antragsformulars eine radiologische Untersuchung hatte durchführen lassen, wegen einer sieben Jahre zurückliegenden Lungenembolie. Diese radiologische Untersuchung hat der Versicherungsnehmer allerdings vergessen im Antragsformular anzugeben. Wegen einer solchen Lungenembolie ist der Kläger allerdings vier Jahre nach dem Vertragsschluss berufsunfähig geworden.

Der Versicherer beruft sich nun darauf, vorliegend unrichtig beantwortete Gesundheitsfragen von dem Versicherungsnehmer bei Antragstellung erhalten zu haben und lehnt deswegen Leistungen ab. So argumentiert der Versicherer dahingehend, dass er in Kenntnis der ärztlichen Behandlung des Versicherungsnehmers seinerzeit den Versicherungsvertrag in dieser Form nicht abgeschlossen hätte. Er verlangt rückwirkend Anpassung des Versicherungsvertrags mittels einer Ausschlussklausel, wonach die Erkrankung Lunge bzw. Lungenembolie von dem versicherten Risiko ausgenommen wird.

Der Versicherungsnehmer klagte seine Berufsunfähigkeitsleistungen ein und gewann in erster Instanz vor dem Landgericht und in zweiter Instanz vor dem Oberlandesgericht. Der unterlegene Versicherer legte sodann Revision beim Bundesgerichtshof ein, nahm diese Revision allerdings wieder, nach einem erteilten Hinweis des BGH, zurück. Der BGH bestätigte den Inhalt des Urteils des Oberlandesgerichts Jena dahingehend, dass vorliegend die Belehrung des Versicherers nicht ausreichend drucktechnisch gestaltet war, wonach sie sich deutlich vom übrigen Text abheben muss, um vom Versicherungsnehmer nicht übersehen werden zu können. Eben diesen Anforderungen genügte die Darstellung der Belehrung über die Folgen fehlerhafter Angaben im Antragsformular seitens des Versicherers nicht.

In der Praxis des Versicherungsvertragsrechts, insbesondere bei der Berufsunfähigkeitsversicherung, kommt es häufig vor, dass die Belehrungen in den Antragsformularen hinsichtlich der Folgen fehlerhafter Angaben bei den Gesundheitsfragen inhaltlich nicht richtig ausgestaltet sind und darüber hinaus in formaler Hinsicht nicht deutlich drucktechnisch hervorgehoben sind. Insbesondere in Folge der nicht vorhandenen drucktechnisch deutlichen Hervorhebung kann eine solche Belehrung, sofern sie darüber hinaus im Antragsformular „versteckt“ ist, leicht vom antragstellenden Versicherungsnehmer übersehen werden. In einem solchen Fall entfaltet sie keine rechtliche Wirkung und kann deswegen vom Versicherer auch nicht rechtlich wirksam angewendet werden.

Sollten Sie beantragte Leistungen aus einem Versicherungsvertrag wegen angeblich fehlerhafter Angaben bei den Gesundheitsfragen im damaligen Antragsformular abgelehnt erhalten, so sollten Sie rechtzeitig einen fachkundigen Rechtsanwalt aufsuchen, um sich über ihre Rechte beraten zu lassen.

Herr Rechtsanwalt Kern, Fachanwalt für Versicherungsrecht, steht Ihnen diesbezüglich mit seiner Kompetenz zur Seite.

Markus Kern Rechtsanwalt